„Das Scheiß-Virus bekommt zu viel Aufmerksamkeit!”

Thomas, ca. 30, Büro der akzeptierenden Drogenarbeit, NRW

Aus dem Beobachtungsprotokoll einer Studierenden, die dort ihr Praxissemester verbringt: 

Während der ersten Tage des Shutdowns, sitze ich [Stud.] oben mit einem Mitarbeiter im Büro, um in Beratungsprozessen angeleitet zu werden. Unser Besucher Thomas kommt nach einem Konsumvorgang im Konsumraum ohne ersichtliches Anliegen ins Büro nach oben. Er läuft im Büro hin und her und fährt sich hierbei immer wieder mit der Hand durch die Haare. “Setz dich doch”, sagt mein Kollege. Aber Thomas bleibt weiter in Bewegung. 

Er beginnt sich lautstark über das Coronavirus und die diesbezüglichen Schutzmaßnahmen und den Shutdown zu beschweren: “Keine Ahnung, warum dieses Scheiß-Virus so viel Aufmerksamkeit bekommt.” Er sagt, er habe selbst auch ein Virus. Es sei schließlich HIV-positiv und habe damit im Gegensatz zum Coronavirus eine wirklich gefährliche Krankheit. Thomas erzählt, dass er den ganzen „Wirbel“ um das Coronavirus für unnötig halte und er sich durch die getroffenen Schutzmaßnahmen der Regierung beleidigt fühle. Seine Krankheit “schere die ja auch einen Dreck!” 

Mein Kollege versucht Thomas zu beruhigen. Der unterbricht aber erneut lautstark: Er würde „fürchterlich stinken“, da in allen Einrichtungen die Duschen geschlossen wären und er als „leidenschaftlicher Schnorrer“ nun nicht mehr um Geld betteln könne, da kaum Menschen auf den Straßen wären. 

An dieser Stelle kommt mein Kollege zu Wort und beginnt zu erklären, dass gerade Thomas doch mit seiner Vorerkrankung und seinem geschwächten Immunsystem zur Risikogruppe des Coronavirus zählen würde. Weiter kommt er nicht, da Thomas jetzt laut schreit, dass er von so einer „Scheiße“ nichts hören wolle und er sich nicht durch den Mitarbeiter „verarschen“ lassen wolle. Er sei doch schon krank. Verdammt! Mit diesen Worten verlässt er das Büro. 

Nicht für alle ist das Corona-Virus die “gefährlichste” Bedrohung.