„Also ich find die Corona-Sache eigentlich sehr gut“

Im Rahmen des Forschungsprojekts an der Hochschule München führten wir, zwei Studentinnen der Sozialen Arbeit, mit Richard Ende April 2021 ein Interview. Richard ist 55 Jahre alt und lebte bereits elf Jahre lang vor der Covid-19 Pandemie auf der Straße. Nun ist er seit Anfang des Jahres wieder obdachlos.

Als wir Richard vor einer Einrichtung der Obdachlosenhilfe treffen, wirkt er glücklich und aufgeschlossen, neugierig. Er sei immer unterwegs und kümmere sich um alltägliche Aufgaben, wie sich einen Fahrschein für die öffentlichen Verkehrsmittel zu organisieren oder sich mit Lebensmitteln zu versorgen. Er habe auch eine Perspektive für die Zukunft, die wie er beschreibt „das A und O“ ist. Da Richard bereits einige Jahre vor der Pandemie obdachlos war, „weiß [er jetzt] einfach wo der Hase langläuft und dann ist es okay und dann ist es cool, dann passt des“.

Die Covid-19 Pandemie spielt für Richard keine ausschlaggebende Rolle in seinem Leben. Zwar hält er sich mit Berichterstattungen aus dem Internet auf dem laufenden und versucht sich regelmäßig auf Covid-19 testen zu lassen, jedoch spricht er sich klar gegen eine Impfung aus: „Und dann hörst du wieder irgendwie ähm eine Woche später wie dann manche Leute draufgehen von irgendwelchen Impfungen oder allergisch reagieren oder sowas und ich halt davon überhaupt nix.“

Die Maßnahmen gegen das Virus empfindet Richard kaum als eine Einschränkung. Es wären eher „die Leute, die wenig Geld haben, für die ist es schwierig. Schwieriger, ganz bestimmt.“. Richard sieht für sich selbst die positiven Seiten an der Pandemie: „Ich find es jetzt besser, also weil du am Abend, wenn du spazieren gehst oder wenn du rausläufst oder wenn du irgendwo bist, die Leute eben sich verstecken zuhause.“ Durch die Einschränkungen des öffentlichen Lebens wäre die Situation für ihn angenehmer, da generell weniger Menschen unterwegs sind und diese ihm aus dem Weg gingen. Scherzend beschreibt er, dass es wohl daran liegen müsste, dass er mit seinem Gehstock und seinem Tuch, das er als Maske verwendet, aussähe wie ein Verbrecher.

Dass die Menschen Rudolf meiden, liegt wohl aber nicht nur an den Umständen der Pandemie, sondern auch der Verdrängungskontext von Obdachlosigkeit wird deutlich. Und so bleibt die Frage: Welche Stellung nehmen obdachlose Menschen allgemein in der Gesellschaft ein, um eine Ausnahmesituation wie die der Pandemie als angenehm wahrzunehmen?