Hannah, 57 Jahre, lebt mit Down-Syndrom und Demenz in einer Wohngruppe im ländlichen Raum, Juni 2020
Heute lade ich euch ein mit in das Leben von Hannah zu kommen. Hannah wohnt an einem besonderen Ort, in einem Wohnheim für Menschen mit Behinderung. Wir blicken dafür ein wenig zurück in den Juni 2020. Es ist einige Zeit nach dem ersten Lockdown und wir werden spannende Details zum Leben dort erfahren, so wie sie eine Praktikantin der Sozialen Arbeit beobachtet hat. Also lasst uns doch Hannah und diesen Ort ein wenig näher kennen lernen.
Hannah hat das Down-Syndrom und Demenz. Das macht ihr im Alltag manchmal einen Strich durch die Rechnung und alles etwas komplizierter. Sie ist zu diesem Zeitpunkt 57 Jahre alt. Damit zählt sie auf Grund ihrer Erkrankungen zur Risikogruppe. Hannah bemüht sich normalerweise immer darum sich an die Regeln zu halten, damit der Schutz und die Gesundheit füreinander zu Pandemiezeiten möglichst gut gewahrt werden.
Im Juni 2020 gehörte am Nachmittag eine Kaffeerunde zum täglichen Gemeinschaftsleben. Diese kurze Pause war da, um beisammen zu sein, Zeit zum Austausch untereinander zu haben und um weitere Pläne und Ideen zur Tagesgestaltung schmieden zu können. Es war ein Gemeinschaftsritual, das sich zu Hause super angeboten hat.
Ein paar Leute wollten jedoch bald los. Es sollte mit dem Auto zum Einkaufen in das nächste Dorf gehen. Blumen besorgen – das stand auf dem Programm. Denn Monika, eine Sozialarbeiterin, die im Wohnheim arbeitet und die Wohngruppe begleitet, wollte für eine Kollegin Blumen für deren Geburtstag einkaufen.
Blöderweise konnte Hannah nicht mitkommen. Und das obwohl Hannah Blumen liebt.
Da der letzte gemeinsame Einkauf schwierig verlaufen ist, durfte sie in dieser Woche nicht, weil auch Hannah sich an die Regeln halten muss.
Beim Einkaufen waren es die Maskenpflicht und das Abstandhalten. Hannah hatte sich nicht daran gehalten und war den Menschen nahe gekommen. Die anderen, vor allem die Kunden im Geschäft, waren nicht einverstanden mit dem Verhalten von Hannah und fanden es unpassend.
Also blieb Hannah diesmal zu Hause. Gut, dass es mit der neuen Praktikantin nicht langweilig wird, dachte sie. Aber es ärgerte sie immer noch, dass sie nicht mitkommen konnte um Blumen zu kaufen. Auch als sie erneut darum bat, nützte es nichts.
Die gut gemeinten Erklärungen der Praktikantin waren nett und gleichzeitig konnten sie nicht so richtig trösten. „Beim nächsten Mal, wenn wir einkaufen gehen, wieder. Heute klappt es leider nicht, da es beim letzten Einkauf eine Abmachung gab, an die du dich nicht gehalten hast, richtig?! Nein, Hannah heute nicht. Das nächste Mal kannst du wieder mitkommen!“ Die Praktikantin hatte einen guten Überblick im Haushalt und kümmerte sich danach auch darum, dass Hannah ein frisches Bett mit neuer Bettwäsche bekam. Dann begann sie für die ganze Gruppe zu kochen, dass der gewöhnliche Tagesablauf im Haus weitergehen konnte.
Mehrmalige Versuche es Hannah zu erklären, warum es nicht ging, dass sie zum Einkaufen geht, ermüdeten schließlich die Stimmung. Die Wohngruppenbetreuerin war schon genervt, als Hannah auch laut zu schimpfen anfing und wütend auf ihr Zimmer verschwand.
So also zeigt sich ein kleiner Ausschnitt aus dem Leben in der Gemeinschaft einer Wohngruppe.
Momentan gelten ja, wie die Situation auch deutlich zeigt, sowohl innerhalb als auch außerhalb von der Wohngruppe viele Regeln.
Beim Einkaufen sind es Hygieneregeln, wie die Maskenpflicht und innerhalb der Wohngruppe zum Beispiel Hausregeln, Kommunikationsregeln oder Putzpläne an die man sich halten sollte.
Geht es uns nicht allen so, dass wir ab und an die Regeln, Grenzen und scheinbaren Verneinungen oder Einschränkung nicht verstehen und uns das einen Moment wütend macht?
Wir können wütend sein und dürfen es auch manchmal. Wir können auch stark sein. Ein kleiner Moment im Hier und Jetzt, macht dann oft Sinn. Vielleicht gibt es etwas worauf wir uns konzentrieren können? Zum Beispiel ein gutes Abendessen?