Die Suche nach Halt in ungewissen Zeiten

Herr Berger (30); Gesprächssituation aus der ambulanten Suchtberatung und -therapie; Juni 2020 (Praxisprotokoll einer Studentin)

Herr Berger hatte bereits eine stabile Lebenssituation geschaffen. Aufgrund erneuter Rückfälle hat er sich erneut bei der Suchtberatungsstelle zu einer Therapiestunde gemeldet. Herr Berger hat sein Studium abgebrochen welches er kurz vor den Corona-Maßnahmen angefangen hatte. Er erzählt, dass er im ersten Semester kaum Anschluss gefunden hat. Als dann im weiteren Verlauf des Studiums alle Vorlesungen auf virtuell umgestellt wurden, hielt er sich fast ausschließlich in seinem WG-Zimmer auf.  Am Ende des zweiten Semesters fühlte er sich überfordert und konnte die Erwartungen nicht mehr erfüllen. Seit dem Abbruch des Studiums hat Herr Berger kein eigenes Einkommen und bekommt von seinen Eltern ein beschränktes wöchentliches Budget zur Verfügung gestellt. Im Gespräch mit der Sozialarbeiterin erzählt Herr Berger, dass er schockiert über seine Rückfälle sei und sich durch einen neuen Job bei der Deutschen Bahn eine erneute Abstinenzfähigkeit und eine finanzielle Unabhängigkeit erhofft. Er freut sich schon auf seine neue Herausforderung und möchte so schnell es geht wieder anfangen zu arbeiten. Herr Berger sieht den Wunsch zur Entspannung und die Flucht aus dem Alltag als seine Gründe für die Sucht. Stress, Unruhe und Angst vor der Zukunft sind seine stärksten Auslöser für Glücksspiel.

Es darf nicht vergessen werden welche Folgen Corona-Maßnahmen haben können. Strukturelle Veränderungen haben massive Auswirkungen auf den Alltag. Menschen die sich in einer Phase der Veränderung befinden brauchen oft diese Struktur, um Halt im Leben zu finden.